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Der "Oligarchische" - ein ausgestorbener Menschentyp?

Am Ende des 4. Jh. v. (nach 319 v.) arbeitet der Universalgelehrte Theophrast, Schüler und Freund des Aristoteles, eine Reihe von menschlichen Grunddispositionen zu dreißig kleinen Portraits mit witzig-karikaturenhaften Zügen aus. Er nennt diese als erster "Charakter" (altgriechisch wörtlich: Prägung). Der "Abergläubische" erscheint ebenso wie der "Geizige" oder der "Kleinliche" - der Wiedererkennungswert war über die Jahrhunderte hinwe in der Regel recht groß. Als Nummer 26 tritt nun eine politische Figur auf, die des "Oligarchischen":

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Theophrast: Der Oligarchische

(1) Oligarchie erscheint als eine Liebe zur Herrschaft, die stark nach Macht und Vorteil strebt, der Oligarchische aber ist einer, (2) der bei der Beratung des Volkes darüber, welche Männer dem Archonten zur Seite gewählt werden sollen, um mit ihm den Festzug zu besorgen, hinzutritt und erklärt, diese müßten unbeschränkte Vollmacht haben, und wenn andere zehn vorschlagen, sagt er: "Einer ist genug, aber es muß ein Mann sein." Und von den Versen Homers hat er nur diesen einen behalten: "Vielherrschaft ist nichts Gutes, einer allein soll herrschen." Sonst kennt er keinen.

Auszug aus: Theophrast, Charaktere. Hrsg. u. Übers.: Dietrich Klose. Reclam UB 619.

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Seine Haltung der "oligarchia" wird als "Liebe zu einer Herrschaft, die mit Stärke und Gewinn verflochten ist" definiert und durch verschiedene Szenen illustriert. Mit seiner demokratischen Umwelt ist ein derartiger Mensch äußerst unzufrieden. Er sieht es als Zumutung, in der Volksversammlung neben "so einem dreckigen Hungerleider" sitzen zu müssen und als Amtsinhaber der Demütigung, aber auch dem Lob "des Pöbels" ausgesetzt zu sein. Finanziell fühlt er sich durch die Leistungen, die ihm für die Gemeinschaft abverlangt werden, ausgebeutet. Im Outfit - Luxuskleidung, gestylte Frisur und manikürte Nägel - geht er nicht weniger als im Denken und Reden auf maximale Distanz zu "jenen Leuten". Dabei liebt er markige Sprüche vom "echten Mann" und von "Wir oder sie - für beide ist kein Platz in der Stadt". Lautstark feiert er Stärke und unkontrollierte Macht.

In einer "Volksversammlung" oder auf der "Odeonsstraße" Athens kann man dem "Oligarchischen" heute sicher nicht mehr begegnen. Ist er deshalb freilich bereits ein ausgestorbener Menschentyp?

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